Die Stauffacherin
- mbksachseln
- 2. Aug. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Okt. 2021
"Wäre da nicht die Stauffaucherin, hätten wir Schwyzerinnen gar kein spätmittelalterliches Vorbild, das uns zur aktiven Teilnahme an der Politik motivieren könnte."
Martina Kälin

Bild der Stauffacherin-Szene am Rathaus in Schwyz. Wikimedia, Pakeha, CC BY-SA 4.0 Darstellung des Rats der Stauffacherin an Werner Stauffacher, im Hintergrund der davonreitende Landvogt Gessler. Der Spruch über dem Bild lautet: "Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt zu führen und den Muthigen hilft Gott".
Die Geschichte der Stauffacherin ist legendär:
Als die Stauffacherin ihren Ehemann, den Landammann Werner Stauffacher von Schwyz (der einer der drei Eidgenossen, ca. 1300, gewesen sein soll) antrifft wie er niedergeschlagen klagt, dass der böse Vogt sein Gut wegnehmen wolle, motiviert sie ihn dazu sich gegen diese Ungerechtigkeit zu wehren. Laut Befreiungstradition entwickelte sich daraus die Gründung der Eidgenossenschaft und des Rütlischwurs.
"Mit Augenzwinkern darf daher gesagt werden, dass ohne weibliche Initiative Stauffacher heute noch jammernd vor seinem Haus hocken würde. Stattdessen hat er sich auf Anraten seiner Frau aufgemacht und in Uri und Unterwalden gleichgesinnte aufgesucht."
Martina Kälin
Tatsächlich macht Friedrich Schiller in seinem Werk "Willhelm Tell (1804)" die Stauffacherin, die Schiller Gertrud nennt, zur wahren Heldin:
"Als Gertrud ermutigt sie ihren zögernden Mann mit dem Aufruf, der dann zum geflügelten Wort werden soll: "Sieh vorwärts, Werner, und nicht hinter dich" (Willhelm Tell, 1. Aufzug, 2. Szene)."
Historisches Lexikon der Schweiz, HSL
Eine schöne Geschichte! Doch welche historische Wahrheit steckt dahinter - wer ist die Stauffacherin?
Die wahre Identität der legendären Stauffacherin ist ungeklärt. Sie kannte schon viele Namen. In 1788 hiess sie Barbara Herrlobig, in 1804 taufte sie Friedrich Schiller "Gertrud" und 1808 wurde sie zeitgleich entweder als Margreth Herlobigin oder als die Tochter Conrad Abyberg identifiziert. Ähnlich erging es auch ihren Ehemann. So nannte Aegidus Tschudi im 16. Jh. den Stauffacher zuerst Johans oder Hans, nur um ihn später Werner, Landamman von Schwyz zu benennen.
Erstmals tauchte die Geschichte der Stauffachers um 1470 im Weissen Buch von Sarnen auf.
"Im Weissen Buch von Sarnen gibt die aktive Stauffacherin ihrem grübelnden Mann einen «kalten Rat der Frauen Art». Friedrich Schiller machte Gertrud Stauffacher in seinem «Wilhelm Tell» zur eigentlichen Initiantin des Rütlischwurs. Ihr Rat war es, der die heute als Befreiungstradition bekannten Ereignisse rund um die legendäre Gründung der Eidgenossenschaft ins Rollen brachte. Seine Interpretation der beherzten Frau, die zu Hause auf den Mann wartet, prägte das Bild der legendären Stauffacherin."
Spannenderweise diente die Legende der Stauffacherin als populäres Beispiel gegen das Frauenstimmrecht. Die Stauffacherin wurde nämlich mit einem traditionellen Rollenbild assoziiert: die Ehefrau als moralische Stütze für Mann und Familie, aber selber nicht politisch aktiv. Die Geschichte der Stauffacherin wurde genutzt um das damalige Schweizer Geschlechterdifferenz gutzuheissen.
Ganz spannend in Bezug auf das Frauenstimmrecht:
In 1896, verlangte der erste Schweizer Frauenkongress der anlässlich der Genfer Landesausstellung stattfand, dass ein Denkmal für die legendäre Stauffacherin in Steinen SZ erstellt wird, doch das Projekt wurde nicht verwirklicht. Jedoch wurde die Stauffacherin zur Bundesfeier 1891 im Wandbild des Schwyzer Rathauses bildlich verewigt; eine Darstellung, in der die Stauffacherin ihrem Ehemann die Show stiehlt (siehe Bild oben).
1902 wurde eine Skulptur der Stauffacherin an der Frontseite des Nationalratssaals des Bundesrats angebracht, gegenüberliegend einer Skulptur von Wilhelm Tell.
Die von Giuseppe Chiattone geschaffene Stauffacherin-Skulptur sitzt als Trägerin der Idee an der Frontseite des Nationalratssaals seit bald 120 Jahren parallel zu Tell, dem Mann der Tat.
Martina Kälin
Quellen:
Kreis, Georg: "Stauffacherin", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.02.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/047808/2012-02-27/, konsultiert am 15.07.2021.
Källin, Martina: "Die Stauffacher und die Stauffacherin : oder endlich eine Frau in der Schwyzer Geschichte!", in: Mitteilungen des historischen Vereins des Kantons Schwyz,
Band 100, Jahr 2008. Online: http://doi.org/10.5169/seals-169318/, konsultiert am 15.07.2021.
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